„Talente ohne Ende“

Die jüngsten Erfolge der U-21-Nationalmannschaft und der Aufstieg zahlreicher junger Fußballer in das A-Team provozieren die Frage: Was will Sportdirektor Matthias Sammer eigentlich verbessern?

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Dieter Eilts ist in diesen Tagen ein zufriedener Mann. Der Trainer der deutschen U-21-Nationalmannschaft freut sich über einen gar nicht enden wollenden Strom junger, starker, deutscher Fußballspieler, die sich für einen Platz im wichtigsten deutschen Nachwuchsteam bewerben. Deshalb ist dieses Team auch einigermaßen erfolgreich gewesen in den letzten Jahren. Dieser Trend soll fortgesetzt werden, wenn die Mannschaft am heute (20.45 Uhr, DSF) in Coventry gegen England um die Qualifikation zur Europameisterschaft 2007 in den Niederlanden spielt, bevor am Dienstag das Rückspiel in Leverkusen steigt. Da die EM auch Qualifikationsturnier für Olympia 2008 ist, könnte in den beiden Partien schon viel zu Bruch gehen. „Es war der schwerste Gegner, den wir ziehen konnten“, sagt Eilts, da es aber gegenwärtig „Talente ohne Ende“ gebe, brauche man auch die Engländer nicht zu fürchten.

Bei aller Lust auf den Erfolg bleibt die Hauptaufgabe der deutschen U 21 ja ohnehin die Vorbereitung der Spieler auf eine Karriere in Joachim Löws A-Team. Und diesen Job erledigten Eilts und sein Vorgänger Uli Stielike zuletzt ganz hervorragend. Bei der WM standen acht Spieler in Jürgen Klinsmanns Kader, die noch im Nachwuchsteam spielberechtigt waren, sechs dieser Fußballer könnten noch heute bei Eilts spielen. Zuletzt hat Löw Piotr Trochowski berufen, obwohl er noch vor zwei Wochen öffentlich angekündigt hatte, der U 21 für die perspektivisch so wichtigen Duelle keinen Spieler mehr zu nehmen. Eilts nimmt es äußerlich gelassen: „Das Heranführen von Spielern an das A-Team hat bei uns Priorität. Wenn es einer schafft, ist unsere Aufgabe zunächst erfüllt.“

Der erstaunliche Zufluss an 20-Jährigen in die A-Nationalmannschaft könnte künftig aber etwas an Fahrt verlieren. Nie war der historische Moment für junge Spieler so günstig wie in den zweieinhalb Jahren vor der WM, doch mittlerweile ist der eklatante Mangel an tauglichen Spielern im Alter zwischen 25 und 30, der das Tor für die Jungen so weit öffnete, kompensiert. Eilts glaubt das nicht. Am Ende entscheide die Qualität, nicht das Alter, meint er. Man kann es den Jungen nur wünschen, denn die Entwicklung Lukas Podolskis, Per Mertesackers oder Bastian Schweinsteigers ist ohne das Vertrauen Klinsmanns und die Selbstbewusstsein spendenden Erlebnisse aus den Länderspielen kaum denkbar. Einem Kevin-Prince Boateng oder einem Stefan Kiesling wäre gewiss auch geholfen, wenn sie sich im beflügelnden Klima der Nationalmannschaft von zu erwartenden Krisen im Klub erholen könnten.

Es mag grotesk klingen, aber die wachsende Ansammlung junger, bestens ausgebildeter Spieler vor dem Tor zum A-Team könnte sich sogar als Problem für den neuen Sportdirektor Matthias Sammer entpuppen. Die Fachwelt erwartet, dass Sammer sichtbare Verbesserungen hervorbringt, am besten möglichst viele Weltklassespieler für die Nationalmannschaft. Doch wie soll man Verbesserungen verkaufen, wenn gerade alles bestens zu laufen scheint? Wenn Sammer irgendwo am Detail feilt oder langfristige Konzepte entwickelt, fehlen ihm die schnellen, sichtbaren Erfolge, und wenn eine Phase eintritt, in der nicht mehr jeden Monat ein neuer Podolski, Kiesling, Castro, Helmes oder Ottl auftaucht, werden viele fragen: Was macht der Sammer eigentlich?

Der neue DFB-Stratege weiß das und kündigte daher vor einigen Wochen in einem Interview ein „ganzheitliches und langfristiges Konzept“ an, das in den Kindergärten ansetze. „Wir reden von 20 Jahren“, hat Sammer gesagt. Eilts hat zwar eine Meinung zum Thema Sammer, zitieren lässt er sich allerdings nicht in diesem Zusammenhang. Auch daran erkennt man, wie sensibel sie beim Verband mit der nicht ganz unumstrittenen Personalie umgehen.

Nach einem halben Jahr im Amt ist jedenfalls noch wenig über die Ideen des Sportdirektors bekannt. Kapitän Kiesling antwortet auf die Frage, ob Sammers Einfluss sich in der U 21 bereits bemerkbar mache, „beim Training hat sich bisher nichts verändert“. Aber Neuerungen im Training sind wohl gar nicht zu erwarten. Sicher ist hingegen, dass es Sammer zunächst einmal helfen würde, wenn die U 21 bei der EM und bei Olympia vertreten wäre, denn künftig werden Misserfolge der Nachwuchsteams auch mit seinem Namen in Verbindung stehen.